Acht große Monitore hängen in der Leitstelle am Anhalter Bahnhof, die in einem weißen Baucontainer untergebracht ist. Im XXL-Format wird hier der knapp sechs Kilometer lange Nordsüd-S-Bahn­tunnel zwischen Yorckstraße und Nordbahnhof überwacht – eine der wichtigsten Verkehrsadern der Hauptstadt. Bis zum 16. Februar erneuern Gleisbauer:innen dort Schienen und Weichen und setzten die Fahrbahnanlage instand. „Aktuell befinden sich im ersten Abschnitt des Tunnels 19 Kolleg:innen, im zweiten 15 und im dritten 5“, sagt Patrick Schneider von der Firma Compact Filter Technik und deutet auf gelbe Felder, die ihm auf dem Bildschirm anzeigen, wie viele Menschen und Maschinen gerade unter Tage sind.

Nur wer einen kleinen Transponder trägt, darf die Treppe hinunter in den Tunnel nehmen. „Mithilfe der kleinen GPS-Sender wissen wir in der Leitstelle jederzeit genau, wie viele Menschen sich wo im Tunnel aufhalten“, so Schneider. „Falls es zu einem Notfall kommt, kann die Berliner Feuerwehr schnell in den richtigen Abschnitt gelangen und evakuieren.“

Auch ob genug Frischluft unter der Erde vorhanden ist, kontrollieren die Mitarbeitenden im Leitstand. Schließlich blasen die Motoren von Stopfmaschinen, Baggern und Co. Abgase in den Tunnel. Greifen die Bagger in den Schotter, wirbeln sie außerdem jede Menge Schmutz auf. „Weil es dort unten nicht regnet und kein Wind weht, sammeln sich riesige Mengen Staub an“, so Schneider.


Für die Sicherheit: In der Leitstelle zeigen acht Monitore das Geschehen im Tunnel. Foto: André Groth

 

Aufwendige Sicherheitstechnik im Tunnel

Werden die Grenzwerte im Tunnel überschritten, erhöhen die Mitarbeitenden die Leistung der Ventilatoren. Filteranlagen saugen die Luft an wie riesige Staubsauger und reinigen sie. Über große Turbinen wird zudem ständig Frischluft unter die Erde gepumpt. Viel Technik ist notwendig, um die Sicherheit und die Gesundheit der Mitarbeitenden im Tunnel zu gewährleisten: „Allein ihr Auf- und Abbau nimmt zwei Wochen in Anspruch“, erklärt Schneider. Um auf Nummer sicher zu gehen, tragen die Gleisbauer:innen außerdem ein kleines Gerät mit sich, das sie im Ernstfall warnt.

In Spitzenzeiten arbeiten bis zu 80 Personen gleichzeitig im Tunnel. Auch nachts und am Wochenende. Insgesamt sind etwa 300 Mitarbeitende verschiedener Gewerke rund um die Baustelle im Einsatz – von Planer:innen und Bauüberwacher:in­nen über das Sicherungspersonal bis hin zu den Maschinist:innen und Gleisbauer:innen. Traditionell wird die Strecke Anfang Januar für zwei Wochenenden gesperrt, damit die routinemäßige Instandhaltung stattfinden kann. Unter Tage geht das auch bei Frost, Eis und Schnee. Ulrich Burkhardt, Projektleiter bei DB InfraGO: „In diesem Jahr mussten wir den Verkehr nochmals für mehrere Wochen sperren, da umfangreichere Bauarbeiten anstanden. Leider konnten 2023 nicht alle neuen Gleise und Weichen wie geplant verlegt werden. Grund waren Lieferschwierigkeiten.“


Aufwendige Arbeit auf engem Raum: Die alten abgefahrenen Gleise werden gegen neue ausgetauscht. Foto: André Groth

 

Hoher Verschleiß auf der Strecke

Der Nordsüd-S-Bahntunnel gehört mit rund 780 Zugfahrten werktags zu den am meisten beanspruchten Bereichen im Netz der Berliner S-Bahn. Gleich vier Linien sind dort unterwegs: die S1, S2, S25 und S26. Als das Bauwerk in den 1930er-Jahren errichtet wurde, war es eine Meisterleistung der Ingenieurskunst. Zwei Wasserläufe mussten unterfahren und eine U-Bahnstrecke überfahren werden. Viele Kurven und Steigungen waren dafür notwendig – das sorgt heute wie früher für einen hohen Verschleiß auf den Schienen.

Die Gleisbauer:innen schleifen das Profil der abgefahrenen Schienen deshalb während der Bauarbeiten wieder in Form. Bauüberwacher Martin Schurig von der Berliner Firma PUS: „Auf etwa 1,5 Kilometer Strecke tauschen die Bagger aktuell zudem die 15 bis 20 Jahre alten Schienenstränge komplett aus, damit die S-Bahnen weiterhin sicher unterwegs sein können. Hier gibt es keinen sogenannten ,Verschleißvorrat‘ zum Schleifen mehr.“

Zuerst werden die alten Schienen zurückgebaut und anschließend die neuen verlegt. Schurig: „Bevor wir sie festdrehen und verschweißen können, prüfen wir mit Thermometern ihre Temperatur. Ist sie zu niedrig, bringen wir die Schienen mit einer Art Gasbrenner auf etwa 23 Grad Celsius. Das ist wichtig, damit eine einheit­liche Spannung herrscht und die Stränge später nicht reißen oder sich verformen.“

Sind die Schienen fertig angebracht, erneuern die Gleisbauer:innen die seitlichen Schmierapparate am Gleis. Sie besprühen die Schienen automatisch mit biologisch abbaubarem Fett – und dämpfen so lautes Quietschen. Um abgesunkene Gleise wieder in die richtige Lage zu bringen, arbeitet eine große Stopfmaschine im Tunnel und hebt sie mithilfe eines Lasermessgeräts in die exakte Position.

Auch die Logistik unter der Erde ist sehr aufwendig: „Die Baustelle ist sehr eng. Deshalb haben wir alle Arbeiten vorab genau geplant, damit die Baumaterialien rechtzeitig vor Ort eintreffen und die Gleise für die Lieferungen rechtzeitig frei sind“, so Burkhardt. Mit dem Verlauf der diesjährigen Bauarbeiten ist er zufrieden. „Wir liegen gut im Zeitplan und sollten die Arbeiten pünktlich bis zum 16. Februar abschließen können.“ Nach Abschluss der Bauarbeiten ist die Strecke wieder fit für die nächsten Jahre. Mehrwöchige Sperrpausen sollten nicht mehr notwendig sein.

 

Die Bauarbeiten in Zahlen

Während der Sperrung vom 5. Januar bis 16. Februar führt die Deutsche Bahn rund 40 Projekte und Bauvorhaben entlang der Nord-Süd-Strecke durch.

Insgesamt werden:

  • 1.500 Meter Schienen und 1.200 Meter Gleis erneuert
  • 8.000 Meter Gleis instandgesetzt
  • 25.000 Meter Schienen geschliffen
  • 2 Weichen erneuert und 34 Weichen instandgesetzt
  • 170 Schwellen instandgesetzt

 

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