„Angefangen hat alles als ich 14 Jahre alt war“, erzählt Marcel. „Ich wurde von meiner Mutter weg­gerissen und kam in ein Kinderheim nach Schleswig-Holstein.“ Er reißt aus, wird am Berliner Hauptbahnhof von der Polizei aufgegriffen und nach Norddeutschland zurückgebracht. Und reißt wieder aus. Einige Jahre später landet er nach psychischen Problemen auf der Straße. „Hattest du da Freunde?“, fragt einer der sechs Azubis der S-Bahn Berlin, die gemeinsam mit Auszubildenden der BVG zu Besuch sind in der Bahnhofsmission am Zoo.

Sie hören dem 34-Jährigen aufmerksam zu. Er berichtet, welche Erfahrungen er mit Gewalt auf der Straße gemacht hat. Wie ihm seine Sachen gestohlen wurden und ihn Jugendliche anzünden wollten. Aber auch von Menschen, die ihm geholfen haben. Zum Beispiel der Busfahrer, der ihn bei Kälte in seinem Bus schlafen ließ und ihm einen Döner spendierte. Nach vielen Versuchen eine eigene Wohnung zu finden, hat es Marcel in diesem Jahr endlich geschafft: Sein neues Zuhause ist in einem Wohnheim in Schöneweide. „Ich finde es bewundernswert, dass er uns so offen von seinem Leben und Erfahrungen erzählt“, sagt Milo, der gemeinsam mit seinen Kolleg:innen eine Ausbildung als Industrieelektriker bei der S-Bahn Berlin macht und später nach einer Weiterqualifizierung als Lokführer arbeiten wird. Sein Azubi-Kollege Luke meint: „Es ist nicht selbstverständlich, eine Familie zu haben, die immer für einen da ist. Dafür sollte man dankbar sein.“


BVG-Personalvorständin Jenny Zeller, Stadtmissionsdirektor Christian Ceconi, Bahnchef Richard Lutz und S-Bahn-Geschäftsführerin Personal Dr. Mélanie Schäffner (von links) bei der Spendenübergabe. Foto: André Groth

 

Auf die Menschen zugehen

„Der Besuch bei der Bahnhofsmission sensibilisiert unsere Azubis für die Probleme der Obdachlosen und hilft dabei, die Perspektive zu wechseln und eigene Vorurteile abzubauen“, sagt Dr. Mélanie Schäffner, S-Bahn-Geschäftsführerin Personal. Etwa 8.000 Menschen leben in Berlin auf der Straße. Beim Social Event packen die Azubis in der Anlaufstelle am Zoo mit an und verteilen Essen an die Obdachlosen. In der Kleiderkammer suchen sie nach passenden Kleidungsstücken für die Gäste. Jetzt, wo die Nächte kälter werden, können die Obdachlosen warme Pullis und Schuhe gut gebrauchen.

Mehrere Hundert Menschen kommen täglich in der Bahnhofs­mission vorbei. „Vielen sieht man überhaupt nicht an, dass sie obdachlos sind. Das hat mich überrascht“, meint Azubi Christopher. „Manche haben sich sehr gefreut über unsere Hilfe. Ich möchte mich auf jeden Fall auch zukünftig gerne für soziale Projekte engagieren.“ Zum Schluss gab es dann noch eine große Überraschung beim Social Event: Bahn-Chef Richard Lutz kam persönlich in der Bahnhofs­mission vorbei. Jenny Zeller, Personalvor­ständin bei der BVG, und er überreichten der Einrichtung Spenden­schecks in Höhe von je 1.000 Euro.

Ein Tag mit vielen Eindrücken für die Auszubildenden: „Ich habe heute gelernt, wie wichtig es ist, nicht wegzuschauen, sondern auf die Menschen zuzugehen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Jeder hat Respekt und Freundlichkeit verdient“, sagt der 17-jährige Timo.

 

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